Wir schreiben das Jahr 2009. Ich bin gerade fertig mit meinem Logopädiestudium in den Niederlanden und starte in meinen ersten Job in einer Praxis. Von 0 auf 40 Patient*innen pro Woche. Ich fühle mich maximal überfordert und merke schnell, dass mir der Job viel Energie raubt. Kindertherapien, Hausbesuche, Klinikversorgung, Stimmtherapie,… ich decke zu Beginn ein ziemlich breites Spektrum an Störungsbildern ab. Der Support von den Kolleg*innen ist gold wert und doch werde ich nicht richtig warm in meinem ersten Job.

2011 ruft meine Heimat Dortmund immer lauter und ich breche meine Zelte in Köln ab. Neustart in einer neuen Praxis und die Ernüchterung, dass ich dort innerhalb weniger Wochen mit bis zu 12 Therapien pro Tag und fast ohne kollegialen Austausch am Ende meiner Kräfte bin. Eine Kündigung, einen Gründungskurs und einige arbeitsintensive Nächte später eröffne ich im Dezember 2011, ein dreiviertel Jahr nach meinem Umzug aus Köln, meine eigene Praxis in Dortmund.

Und was bin ich stolz! Endlich mein eigenes Ding machen. Muss ich dir sagen, dass die Selbstständigkeit nicht immer nur ein Spaziergang ist? Nein, ich weiß! Und trotzdem: Ich fühle mich endlich angekommen im Job und probiere viele Dinge aus. Nach einem Jahr der nächste Meilenstein: Ich kann meine erste Mitarbeiterin einstellen. Sie blieb mir bis zu meinem Praxisverkauf im Jahr 2021 treu und das macht mich sehr stolz. Wir waren ein super Team!

Wenn ich im Rückblick auf diese Praxiszeit zurückschaue frage ich mich manchmal, wie ich das geschafft habe. Zwischen Abrechnung und Wasserschäden, Heilmittelreformen und berufsbegleitendem Studium. Schon damals habe ich mir Unterstützung von einer Supervisorin und einem Coach gesucht und fand das völlig normal. In meinem Kolleg*innenumfeld bekam ich allerdings mit, dass es keineswegs normal ist, Unterstützung für eigene Themen zu bekommen. Das Selbstverständnis, sich um sich selbst zu kümmern, war scheinbar noch nicht da.

Meine Haupt-Learnings aus dieser Zeit sind definitiv: “Mit der richtigen Unterstützung geht es so viel leichter!” und  “Es ist so erleichternd, endlich Klarheit zu schaffen und in die Umsetzung zu gehen. Weg von „ich müsste ja mal eigentlich…“ hin zu „Ich weiß, was ich will und gehe den ersten Schritt in diese Richtung“.

Ich wusste irgendwann, dass ich genau das machen möchte: Therapeut*innen und therapeutische Teams dabei unterstützen, im Therapiealltag gut auf die eigenen Ressourcen zu achten, Lösungen für Herausforderungen zu finden und zukunftsweisend und gesund zusammenzuarbeiten. Meine Masterarbeit zum Thema Resilienz gab mir eine gute Grundlage, mich intensiver hiermit zu beschäftigen. Wenige Monate später begann ich mit den ersten Workshops zum Thema Resilienz für Therapeut*innen und das Feedback war überwältigend: ENDLICH geht es mal um uns! Yes!

Eine Ausbildung zur systemischen Coachin später konnte ich auch im Einzelsetting mit Therapeut*innen und Führungskräften arbeiten. Und das machte so richtig Spaß! Hallo Wirksamkeit!

Die Corona-Pandemie brachte neben krassen Herausforderungen in der Praxis auch ungeahnte Möglichkeiten im Bereich Coaching und Fortbildungen mit sich. Hätte mir damals im Jahr 2020 jemand gesagt, dass ich heute mit 95 Prozent meiner Kund*innen online arbeite, ich hätte laut gelacht!

Ende 2021 habe ich dann tatsächlich meine Praxisschlüssel an meine Nachfolgerin übergeben. 10 Jahre nach der Eröffnung hieß es wieder: Mut tut gut! Die Praxiszeit war eine wunderbare, die ich nicht missen möchte! Und gleichzeitig war es Zeit für Veränderung. Die Arbeit als Dozentin und Coach war immer mehr geworden und ich hatte Lust, voller Optimismus ins kalte Wasser zu springen. Muss ich dir sagen, dass das nicht jede*r auf Anhieb verstanden hat? Eine gut laufende Praxis einfach verkaufen? Ja, genau das: Eine gut laufende Praxis verkaufen und mit einem guten Gefühl rausgehen und sagen: Danke für die Zeit! Nun kommt was anderes. Das fühlt sich auch Jahre später noch zu 100% richtig an.

Eine Weiterbildung zur lösungsfokkusierten Beraterin später war mir klar: Ich liebe lösungsorientiertes Arbeiten und das möchte ich auch nicht nur im Workshopformat tun. Ich möchte Teams ganz individuell begleiten und Praxen und Kliniken dabei unterstützen, gesunde und zukunftsweisende Strukturen zu etablieren.

Den letzten Anstoß gab mir meine Weiterbildung zur systemischen Organisationsentwicklerin. Die Möglichkeiten, mit denen Praxen und Kliniken von der Kombination aus systemischem Coaching, lösungsorientierter Beratung und systemischer Organisationsentwicklung profitieren können sind unfassbar groß. Ich bin davon überzeugt: Die Therapiebranche braucht dringend gesunde und innovative Impulse, um fit für die Zukunft zu werden. Let´s do this!

Was möchte ich dir mit diesem persönlichen Einblick sagen? Ich verstehe, dass Veränderung Angst machen kann. Ich war selbst auch lange unzufrieden in meinem Arbeitssetting. Ich weiß, wie schwer es sein kann, im Therapiealltag bei sich zu bleiben oder den Anstoß für Veränderung zu finden. Egal, ob als Angestellte oder als Praxisinhaberin. In beiden Rollen hätte ich mir mehr Unterstützung gewünscht. Und ich weiß vor allem, wie unendlich toll es ist, endlich in die Gänge zu kommen und Ideen umzusetzen. Wie gut es sich anfühlt, sich ohne schlechtes Gewissen um seine eigenen Bedürfnisse zu kümmern. Wie erleichternd es ist zu sehen, wie scheinbar verrückte Pläne aufgehen. Was gibt es bitte cooleres?